Gastbeitrag: Klettersteige – Eine Einführung

Aussicht auf den Gardasee

Gastbeitrag von Björn Ahrndt.

Schon vor einigen Jahren haben wir unseren Wanderblogger-Kollegen Björn Ahrndt kennengelernt – und das nicht in den Bergen, sondern in Rheinland-Pfalz beim Bloggerwandern. Später schauten wir uns auf seinem Blog um, der da treffend heisst: Bergparadiese. Ihr wisst, dass wir die Berge und im Speziellen die Alpen lieben, so ist es für uns wie ein Urlaub, dort bei Björn die Beiträge zu lesen.

Großes Interesse haben wir auch an Klettersteigen. Hier in den Mittelgebirgen gibt es einige kleine Klettersteige, sie sind aber nicht vergleichbar mit den alpinen. Deswegen wollten wir gern vom Profi wissen, was diese Klettersteige ausmacht, was man für Ausrüstung benötigt und was Björn schon so erlebt hat.

Wir wünschen euch viel Freude mit seinen Ausführungen, wenn ihr Fragen habt, dann schreibt sie gern in die Kommentare.

Was gibt es für unterschiedliche Klettersteige?

In der Einordnung von Klettersteigen sind einerseits die unteschiedlichen Typen, andererseits auch die verschiedenen Schwierigkeitsgrade zu nennen.

Zunächst gibt es einmal die klassischen Klettersteige, die in wirklich alpinem Gelände verlaufen. Außerdem gibt es Sportklettersteige. Die sind meist schneller zu erreichen, oft in Talnähe und meist mit einer technisch höheren Schwierigkeit ausgestattet. Während bei den klassischen Klettersteigen das Geländeprofil genutzt wird, suchen Sportklettersteige eher die Herausforderung.

Natürlich gibt es auch die Kombination aus beiden Klettersteigtypen. Zudem haben sich in den letzten Jahren auch mehr und mehr sogenannte Fun-Klettersteige entwickelt. Die haben dann Seilrutschen, sogenannte Tyroliennes, Stahlnetze, und verschiedene andere künstliche Elemente verbaut. Im Vergleich zu den erst genannten Varianten ist der Felskontakt auch oft weniger stark ausgeprägt.

Eine Klettersteig-Art, die man irgendwo auch in den klassischen Steig einordnen könnte, ist der Schluchtensteig. Für mich ist das aber doch irgendwie was anderes. Nicht zuletzt aufgrund des landschaftlichen Charakters in einer Klamm. Und auch der zusätzlichen Herausforderung oft feuchter Wände.

Bei der Einteilung der Schwierigkeitsstufen gibt es verschiedene Skalen. Durchgesetzt hat sich im Großen und Ganzen die Skala nach Schall. Die geht von A bis F, also von leicht bis extrem. Und innerhalb dieser Skala gibt es auch kleinere Abstufungen wie A/B oder C/D.

Welche würdest du Einsteigern empfehlen und warum?

(die Antwort ist klar, die leichteren, aber vielleicht gibt es doch andere Tipps?)

Eine Empfehlung ist schwierig, weil man dazu, wie ich finde, immer den Menschen vor sich haben muss. Ein Klettersteigkurs macht für totale Neulinge bestimmt am meisten Sinn. Da lernst Du zunächst einmal den Umgang mit Deiner Ausrüstung und auch die Grundlagen der Klettertechnik. Weniger mit den Armen, mehr aus den Beinen heraus arbeiten. Eng am Fels um Kraft zu sparen oder auch in den Fels stemmen, um auf glatten Passagen voranzukommen. Das Vertrauen in sich selbst, seine eigenen Fähigkeit und auch das Vertrauen in die Ausrüstung sind extrem wichtig!

Ich persönlich bin über ganz normale alpine Steige zu den Klettersteigen gekommen. Irgendwie habe ich mir das nach und nach alles selbst angeeignet. Da kam mir das Klettern in meiner Jugend vielleicht auch etwas entgegen. Ich hatte, denke ich, einfach schon viel Bergerfahrung, als ich auf meine ersten Klettersteig gegangen bin. Will sagen, wenn Du auf einem normalen, ausgesetzten Steig ein Problem hast und Dich extrem unwohl fühlst, dann solltest Du auf jeden Fall vorher einen Kurs besuchen und ausprobieren, ob das überhaupt etwas für Dich ist.

Dann heißt es Herantasten, Ausprobieren, Üben, Steigern. Am besten mit einem guten Partner. Viele Klettersteige bieten nach den ersten Abschnitten einen Notausstieg. Da kann man einmal in einen Steig hineinführen und wenn man feststellt, dass das nichts ist, kann man den Steig wieder verlassen. Den Notausstieg zu nutzen ist übrigens keine Schande. Im Gegenteil. Es ist ein Zeichen von Stärke und Respekt sich selbst, andern Tourengehend und dem Berg gegenüber. Manchmal ist es einfach die Tagesform und der Kopf, der nicht mitspielt.

Wie bei einer Bergtour ist es für mich auch wichtig, dass ich mich auf eine Tour vorbereite. Wie lang ist der Zustieg? Welchen Schwierigkeitsgrad hat der Steig an sich? Wo genau befinden sie sich? Gibt es einen Notausstieg und wie lange dauert die Tour insgesamt? Die Planung spielt also eine große Rolle! Nicht zuletzt sollte man ja auch noch genug zu Essen und/oder zu Trinken dabei haben.

Sogenannte Topos helfen dabei. Das sind Karten, die den Verlauf einer Tour in der Wand zeigen. Dort sind alle Abschnitte und Herausforderungen mit den jeweiligen Schwierigkeitsgraden eingezeichnet.

  • Gibt es Überhänge?
  • Gibt es Gehpassagen?
  • Wieviele Höhenmeter?

So bekommt man bereits vor der Tour ein gutes Bild und kann sich und seinen Kopf vorbereiten.

Im Internet lese ich mich gerne auf via-ferrata.de ein. Einem der vollständigsten Klettersteigportale. Da ich aber auch gerne in Büchern blättere, kann ich die Klettersteigführer vom Alpinverlag empfehlen. Hier wie da gibt es gute Beschreibungen, Tipps und auch die Topo zu jeder Tour. Und wer möchte findet meine Klettertsteig-Beschreibungen natürlich auch auf bergparadiese.de

Welche Ausrüstung benötigt man für einen Klettersteig?

Du benötigst auf jeden Fall einen Helm, einen Gurt und ein Klettersteig-Set.

Moderne Klettersteig-Sets haben eine integrierte Fallbremse. Die reduziert für den tatsächlichen Fall der Fälle die Geschwindigkeit eines Sturzes. Außerdem hat das Set natürlich zwei Karabiner, die mit einer Hand bedient werden können und die auf jeden Fall einen Sicherheitsmechanismus haben. In den meisten Fällen ist das eine Sicherung, die per Druck über die Handballen ausgelöst wird. Erst dann kann man den Karabiner öffnen. Es gibt auch ganz spezielle Sicherheits-Sets wie den Skylotec Raider, die die Fallhöhe nochmal reduzieren können. Wichtig: ausprobieren! Das richtige Klettersteig-Set muss jeder für sich selbst finden. Die Größe der Hand muss zum Beispiel zu den Karabinern passen und man muss ein gutes Gefühl haben.

Beim Gurt gibt es zig Varianten. Unisex, spezielle Gurte für Damen, für Herren, minimalistisch, also leichte Gurte oder Gurte mit mehr Polsterung. Sitzen muss er und an den wesentlichen Stellen nicht scheuern oder drücken.

Der Helm und seine Funktion verstehen sich von selbst. Er sollte aber einen guten Sitz auf dem Kopf haben, damit die Sicht und Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt ist. Also am besten auch mal mit Rucksack ausprobieren und schauen, wie sich der Blick nach oben darstellt.

Zwei weitere wichtige Gegenstände auf Touren sind Handschuhe. Die schützen vor Blasen, Schwielen und außerdem vor Verletzungen, die z.B. durch das Drahtseil im Klettersteig oder auch durch scharfen Fels verursacht werden können. Außerdem können Sie einen zusätzlichen Grip am Seil bieten.

Ich habe auch immer eine Band- oder Rastschlinge dabei. Auf Klettersteigen mit längeren Seilbrücken auch zwei. Das ist eine Schlinge, die Du an Deinem Gurt befestigst und an deren Ende ein Karabiner ist. So kannst Du Dich in steilen Passagen einhängen und etwas ausruhen.

Mit der Ausrüstung und den Funktionen sollte man sich unbedingt vorab auseinandersetzen und sich das bei einer guten Beratung im Fachhandel zeigen lassen.

Wichtig ist auch, dass Du die Ausrüstung nicht nur richtig bedienen kannst, sondern auch richtig lagerst und regelmäßig auf Schäden und Funktionsfähigkeit überprüfst.

In jedem Fall sollte die Ausrüstung, egal wie schwierig ein Steig ist, komplett sein. Es geht gar nicht darum, wie sicher Du selbst unterwegs bist. In den seltensten Fällen bist Du alleine im Steig. Und ein Steinschlag kann auch auf dem leichtesten Klettersteig durch Vorausgehende ausgelöst werden.

Allein oder mit mehreren?

Ich persönlich bin am liebsten alleine oder zu zweit unterwegs. Das hängt einerseits vom Schwierigkeitsgrad eines Steigs ab, andererseits ob ich den Steig bereits kenne.

Zu zweit hast Du immer den Vorteil, dass man sich im Notfall gegenseitig unterstützen kann. Beim Finden der richtigen Tritte oder auch in einer wirklichen Notsituation.

Größere Gruppen sind aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Sie machen zumindest mir nicht soviel Spaß. Gerade an kniffligen Stellen kann schnell ein Stau entstehen. Und Du musst natürlich, wie immer am Berg, mehr Rücksicht nehmen. Als eingespieltes Team kennt man sich gegenseitig, kennt die Stärken und Schwächen, und hat so aus meiner Sicht das bessere Bergerlebnis.

Was war dein schönster Klettersteig, den du je gegangen bist?

Das ist die mitunter schwierigste Frage, und auch wieder die einfachste, die man einem Bergverrückten stellen kann. Die Antwort: „Es gibt keinen.“

Klar gibt es Steige, an die man sich mehr oder weniger oft erinnert. Aber ich finde, dass jeder Steig seinen ganz eigenen Charakter hat. Und jeder Klettersteig bliebt zu 100% in Erinnerung. Egal, wie oft Du ihn gegangen bist. Egal, wie schwer oder leicht er war. Ich war auf Klettersteigen mit 200 Meter, genauso wie auf Schluchtensteigen mit teilweise 30 cm Luft unter den Füßen. Auf einem Klettersteig am Idrosee sogar mit den Füßen im Wasser oder am Lehner Wasserfall im Ötztal im wahrsten Sinne des Wortes im Wasser.

Für mich geht es auch gar nicht um den schönsten oder spektakulärsten Steig. Es geht für mich um das Draußensein selbst und um eine andere Form des Bewusstseins für die Natur und die eigene Existenz. Auch wenn sich das etwas philosophisch anhört.

Wenn Du mir jetzt noch einmal die Frage nach dem schönsten Klettersteig, den ich je gegangen bin, stellst, dann lautet die Antwort: „Alle“. Denn wenn ich über diese Frage so bewusst nachdenke, kommen all die schönen und auch grenzwertigen Erlebnisse wieder, die ich schon erleben durfte. Da geht es mir mit Berggipfeln oder Wanderungen übrigens genauso. Da ist auch die höchste oder anspruchsvollste Tour nicht zwingend „schöner“ wie ein ganz normaler Waldspaziergang.

Was gefällt dir am Klettersteig-Gehen?

Ich glaube es ist die Kombination aus Technik, Herausforderung und Landschaftsgenuss. Und bei der Technik meine ich die Kletter- oder Gehtechnik im Steig, die ich stetig anpassen und verbessern kann.

Außerdem ist das Bezwingen der nächsthöheren Schwierigkeitsstufe doch irgendwie ein gutes Gefühl. Auch wenn ich liebend gerne immer wieder zu altbekannten und leichten Steigen zurückkomme. Und es ist auch die Konzentration auf das Wesentliche. Auf den Steig und das Klettern selbst. Natürlich ist der landschaftliche Genuss immer dabei. Am Fels bist Du dann aber voll konzentriert auf den nächsten Griff, den nächsten Tritt. Du blendest alles um Dich herum aus. Der Alltagsstress, Sorgen oder kreisende Gedanken bleiben im wahrsten Sinne des Wortes im Tal. Das ist für mich, wie beim richtigen Klettern, Entspannung pur!

Bildnachweise

Die Fotos wurden uns von Björn Ahrndt für den Beitrag zur Verfügung gestellt.

Dankeschön

Björn für deine Ausführungen. Wenn wir mal in der Nähe sind und es irgendwie passt, treffen wir uns hoffentlich mal auf einem einfachen Klettersteig, wir haben jetzt nämlich noch mehr Lust, diese Herausforderung anzugehen und zu erleben.

Hast du jetzt Lust, mehr über Berge und Klettersteige zu lesen? Dann schau gern auf dem Blog Bergparadiese.de vorbei. Da wirst du gewiss fündig.


Unsere bisher gegangenen Klettersteige in Rheinland-Pfalz

Werbung

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*